Montag, 8. Dezember 2014

MacbookPro (early 2008) - das vergessene nVidia Desaster.

Geld, Tod oder Backofen?

In letzter Zeit häufen sich in einigen Foren (erneut) Beiträge vom plötzlichen Ausfällen von MacBook Pros der early 2008er Baureihe. (theoretisch auch late 2007) Fast 7 Jahre haben diese Geräte mittlerweile auf dem Buckel und könnten doch, sogar mit dem aktuellen MacOS ausgestattet, noch zuverlässige Arbeitstiere sein. Wäre da nicht ein schwerwiegender Geburtsfehler, der vor Jahren bereits für Aufsehen gesorgt hat, über die Zeit aber offenbar in Vergessenheit geriet. Sie sind allesamt ausgestattet mit einem nVidia Chip auf Basis der G84/G86 Baureihe, welche Mitte 2008 für negative Schlagzeilen sorgte. Betroffen sind dabei übrigens nicht nur MacBooks sondern nahezu sämtliche Geräte auch anderer Hersteller in denen z.B. Grafikkarten der GeForce 8600er und 8400er Reihe verbaut wurden. Viele dieser Geräte sind vor allem bei Apple Anwendern bis heute noch im Einsatz, handelte es sich seinerzeit schließlich auch um die hochpreisigen Spitzenmodelle der jeweiligen Baureihen.



So "unerwartet" sollte das plötzliche Sterben von Geräten dieser Modellreihe aber nicht sein, denn das Problem ist seinerzeit keineswegs „unter den Teppich“ gekehrt worden. nVidia hat das Ganze damals einen dreistelligen Millionen Dollar Betrag für Rückrufe und Schadenersatz gekostet, die Firma geriet durch diesen Fehler und den daraus resultiernden negativen Schlagzeilen Ende 2008 sogar gehörig in Schieflage, der Aktienkurs brach ein und es schien nicht unwahrscheinlich, das nVidia dieses Desaster im hartumkämpften Markt nicht überleben könnte. Apple selbst hatte für Geräte dieser Baureihe lange ein Austauschprogramm im Angebot, welches erst im Dezember 2012 ausgelaufen ist. Im Grunde kann man sich bei einem Modell dieser Serie fast sicher sein, früher oder später betroffen zu sein.

Wie erkennt man nun den Fehler wenn er auftritt? Und was kann man überhaupt noch tun?

Die Symptome

Es gibt zwei Möglichkeiten wie sich der Fehler bemerkbar macht.
Im besten, aber wohl eher selteneren Fällen kündigt sich das Ganze vorher an: Beim Systemstart oder im laufenden Betrieb zeigt der Rechner einen, mehrere oder aber auch das ganze Display voller seltsam pixliger „Querstreifen“. Hier hilft bisweilen (vorerst noch) ein Neustart. Dies tritt im weiteren Verlauf häufiger auf, optisch immer mal anders dargeboten, im Betrieb meist gefolgt vom Freeze des Systems, welcher sich ebenfalls (mit Glück noch) durch einen Neustart beheben lässt.

Im anderen, häufigeren, Fall geschieht das nahezu ohne Vorwarnung. Der Rechner geht eines Tages einfach nicht mehr an. das Display bleibt schwarz, das Gerät gibt aber bisweilen noch Geräusche von sich. Die Lüfter springen oftmals kurz an und auch die Festplatte beginnt (scheinbar) kurz zu arbeiten. Nach 1-2 Sekunden erstirbt aber jegliche Aktivität, so als würde man einfach „den Stecker ziehen“. Bisweilen blinkt auch das Sleep Light bei gedrückter Power Taste aufgeregt vor sich hin. Manchmal springt das Gerät sogar beim fünften, sechsten, siebenten Startversuch nochmal an, aber nur für kurze Zeit bis maximal zum nächsten Systemstart. Egal was man vermutet: Akku, Stromversorgung, Festplatte, ...  man kann, wenn ein Grafikchip der genannten Reihe verbaut ist, im Grunde mit 99%iger Warscheinlichkeit davon ausgehen Opfer des nVidia Serienfehlers zu sein.

Die Ursache

In vielen Foren gibt man schnell Apple bzw, der Logicboard Architektur die Schuld. Man vermutet bisweilen Probleme der Lötstellen an denen der Chip auf dem Board angebracht ist, also direkt bei der Fertigung des Logicboard. Ebenso wird oftmals auch die Verwendung „minderwertigen“ Lötzinns ins Spiel gebracht. Diese Annahmen sind aber falsch, was man mittlerweile auch gut dokumentiert nachlesen kann.

Die Ursache liegt tatsächlich am Chips selbst. So ein Chip selbst besteht ebenfalls aus einer mehrlagigen Platine, dem sogenannten „Die-Carrier“, auf welchem der sogenannte „Silicium-Die“ aufgebracht ist. Das Problem hierbei wiederum ist die Verbindung zwischen dem sogenannten "Silizium-Die" und dem "Die-Carrier“.

Vereinfachte Darstellung des Logicboards und des darauf aufgebrachten Chips

Was bei den betroffenen Grafikchips passiert ist folgendes: Der Fehler ist auf unterschiedliche und teils enorme Spannungskräfte bei unterschiedlicher thermischer Belastung der verwendeten Materialien zurückzuführen. Beide Parts (also Die und Carrier) hätten aus so hochwertig wie möglich gleichen Materialien bestehen müssen um diese unterschiedliche Oberflächenspannung zu kompensieren und weitestgehend zu reduzieren. Hier hat seinerzeit schlichtweg die Qualitätsprüfung versagt. Die verwendeten Materialien weisen starke Qualitätsmängel auf, was dazu führt, das Die und Carrier sich bei thermischer Belastung zu unterschiedlich ausdehnen. Die Lotkugeln zwischen diesen Elementen werden bei den nun unterschiedlichen Spannungen extrem belastet, was zu feinen Haarrissen in den Verbindungen führen kann, bzw eben geführt hat.

Reparaturmöglichkeiten

Neues Logicboard

Im Grunde schafft nur ein Tausch des Grafikchips wirklich Abhilfe, da dieser nunmal das ursächliche Problem darstellt. Da der Grafikchip aber auf dem Logicboard verlötet ist, hat man bei Apple, sowie zertifizierten Werkstätten nur die Möglichkeit eines kompletten Logicboard Austauschs, was in der Regel mit bis zu 700 Euro zu Buche schlägt.


Der Übeltäter auf dem Logicboard

Jetzt schreiben wir aber das Jahr 2014 und da kann man sich schon fragen ob bei einem 7 Jahre alten Gerät eine solche Investition sinnvoll ist, vor allem wenn man bedenkt, daß es für dieses Geld durchaus gute Gebrauchtgeräte mit wenigstens i5 CPUs gibt.

Chiptausch

Daher gibt es einige Anbieter (man wird auf ebay schnell fündig wenn man nach „Macbook Grafikfehler“ oder "Logicboard A1260" sucht) die sich darauf spezialisiert haben lediglich den Grafikchip zu tauschen. Die Kosten hierfür belaufen sich je nach Anbieter zwischen 90 und 150 Euro. Allerdings werden die verwendeten Grafikchips nicht mehr produziert und die Lagerbestände nehmen bei einigen Anbietern daher drastisch ab. Grundsätzlich halte ich die Verlötung eines neuen Chips aber für die einzig sinnvolle Variante.
ABER: Auch 150 Euro sind für ein so altes Gerät mittlerweile nicht mehr wenig. Für den Fall eines Neukaufs, oder auch eines etwas jüngeren Gebrauchtgerätes könnte man diese 150 Euro in vielen Fällen durchaus sinnvoller investieren.

Reflow/Reballing

Eine dritte und etwas preiswertere Möglichkeit findet man ebenfalls bei einigen Anbietern und nennt sich Reflow oder auch Reballing des Logicboards. Das Ganze gibts bisweilen schon für 50-70 Euro, macht aber meiner Meinung nach nur begrenzt Sinn, auch wenn es das Problem (vorerst) behebt. Bei einem Reflow wird das Logicboard in einem sogenannten Reflow Ofen auf ca 210 Grad erwärmt, wodurch sich zwar feine Risse in Lotverbindungen durch die erneut auftretende thermische Belastung der umliegenden Komponenten verschieben und u.U. neu überbrückt werden. Bei einem Reballing hingegen werden die Lotkugeln gezielter erwärmt oder gar erneuert, allerdings technisch bedingt meist nur die, welche den Chip am Logicboard halten. Das ursächliche Problem aber bleibt: Man hat nach wie vor einen Chip, dessen Komponenten sich aufgrund Qualitätsmängel unterschiedlich ausdehnen und dies auch in Zukunft weiter tun werden. Was man mit diesen Methoden gewinnt ist im besten Fall etwas Zeit. Ein Reflow kann 1 Jahr lang halten. Aber auch nur 1 Monat, je nachdem wie man das Macbook benutzt und belastet. Manche Anbieter geben 6 Monate Garantie auf einen Reflow Vorgang und führen den Reflow innerhalb dieser Zeit bei Neuauftreten des Problems einfach erneut durch.


Bastelalternative: Backofen!

In vielen Foren oftmals ungläubig belächelt, ist eine vierte Methode, die angesichts des fortgeschrittenen Alters der Geräte aber durchaus eine Alternative sein kann. Vorab sollte man aber festhalten: Auch hier ist man von einer „Reparatur“ weit entfernt. Es ist Bastelwerk. Aber: technisch gesehen kommt diese "Backofenmethode" einem Reflow Vorgang sehr nahe, wenn auch ohne Garantie. Weder dafür, daß es überhaupt klappt (gibt es beim Reflow übrigens auch nicht, entsprechende Anbieter stellen die Rechnung daher erst nach erfolgreichem Eingriff), noch dafür ob und wie lange es hält, und schon gar nicht dafür, ob man beim „selber basteln“ nicht eher noch mehr kaputt macht. Zum Chip,- oder gar Logicboard Tausch ist die Backofen Variante überhaupt keine Alternative. Zum Reflow unter Umständen schon eher. Zum wegschmeißen des Macbooks allemal. Wenn man sich mit dem Ende des MacBooks schon abgefunden hat und es nur noch darum geht das Leben zu verlängern, weil man sich eine Woche, einen Monat oder ein Jahr weitere Zusatzausgaben sparen kann - und seien es nur die 70 Euro die ein Reflow kosten würde. Warum also in einem solchen Fall nicht selber Hand anlegen?



Bei meinem eigenen MacBookPro habe ich das getan.
Das Gerät versagte erstmals Anfang April 2013 seinen Dienst. Zu diesem Zeitpunkt hatte es seine ursprünglichen Kosten längst armortisiert, war abgeschrieben und wäre entweder auf dem Müll oder als Ersatzteilspender bei ebay gelandet. Ich hatte dementsprechend nichts mehr zu verlieren, als ich auf die Backofen Variante aufmerksam wurde. Und was soll ich sagen: Wir schreiben Dezember 2014 und ich diesen Text auf eben jenem Gerät. Die Backofen Prozedur war allerdings bisher nie dauerhaft, aber es spricht nichts dagegen den Vorgang zu wiederholen. Solange bis es eines Tages eben nicht mehr funktioniert. Das LogicBoard meines MacBooks war mittlerweile sicher schon 7-8 mal in der Röhre. Der kürzeste Lebensdauer betrug dabei nur 14 Tage. Die längste ist die aktuelle: Seit Anfang September.

Ich habe mich bei der Prozedur stark an die wirklich gute Beschreibung in diesem Blog hier gehalten: http://eniak.info/2012/01/04/macbook-pro-grafikkarte-kaputt-einfach-im-backofen-reparieren/
Vor allem was die Dauer von ca 7 Minuten, sowie die Temperatur von ca. 200 Grad betrifft. Auch die „Aufbockung“ des Logicboards auf dem Backblech mit Hilfe dieser kleinen selbstgebastelten „Füße“ aus Alufolie habe ich nach dieser Beschreibung vorgenommen.
Beim Aus/Einbau des Logicboards habe ich mich außerdem penibelst und möglichst exakt an der entsprechende Anleitung auf iFixit entlang gehangelt: https://www.ifixit.com/Guide/MacBook+Pro+15-Inch+Core+2+Duo+Models+A1226+and+A1260+Logic+Board+Replacement/681

Ich muß dazu sagen: Ich bin nicht unbedingt der Typ „Bastler“ und hab vorher nie großartig an Rechnern geschraubt oder mit Lötkolben hantiert. Der Wechsel von Arbeitsspeicher oder maximal eines Akkus beim alten iPod Classic (3G) waren bis dato schon das höchste meiner Basteleien an technischem Gerät. Ich bin aber auch kein Grobmotoriker, also hab ich mich getraut. Beim ersten mal hat der gesamte Vorgang locker 2 Stunden in Anspruch genommen. Wohl auch aus Angst irgendwo etwas falsch zu machen. Zuletzt war mein MBP nach 25-30 Minuten inkl Backofen und abkühlen wieder einsatzbereit. Die Übung machts :-) Man muß vor allem aufpassen keine Schraube und auch keine der kleinen Steckverbindungen zu übersehen, die auf dem Logicboard aufgesteckt sind. Die iFixit Anleitung ist dabei aber mehr als hilfreich. Außerdem habe ich irgendwann aufgehört das eh kaum benutzte DVD Laufwerk immer wieder einzubauen, was die Prozedur extrem beschleunigt.



Linksammlung


Pressemeldungen
http://winfuture.de/news,40718.html -  Sämtliche Nvidia G84 & G86 GPUs fehlerhaft?